Was ist ein Overlander? (15.9.2017) 4


Der Begriff ‚Overlander‘ wird zwischen den Fahrzeug-Reisenden in Südamerika sehr oft verwendet und ich glaube, eine offizielle Definition für den Begriff gibt es (noch) nicht. Daher will ich mal aus unserer Perspektive beschreiben, was wir uns darunter vorstellen.

Bevor wir uns auf die Reise nach Südamerika begeben haben, war uns der Begriff Overlander nicht wirklich geläufig. Wir waren eben Langzeitreisende mit eigenem Fahrzeug auf einem fremden Kontinent.

Aber mit den ersten Kontakten zu anderen (meist nicht einheimischen) Reisenden mit eigenem Fahrzeug wurde uns klar, dass dies eine besondere Spezies ist, eben keine Kurzzeitreisenden sondern Overlander.

Kommt man auf ’normalen‘ Reisen mit andere Urlaubern zusammen oder erlebt sie mit etwas Abstand, dann ärgert man sich eher darüber sie zu treffen. Man ist nicht der Erste oder Einzige an diesem Ort und muss Eindrücke und Erlebnisse miteinander teilen.

Die einen kommen organisiert oder in einer Gruppe irgendwo hin, während sich der ‚Selbstfahrer‘ alles selber erarbeiten muss.

Es ist ein bisschen so wie mit den Menschen, die auf einem Berggipfel aufeinandertreffen. Da gibt es die große Gruppe, die mit der Gondel hochfährt und den Blick genießt und da gibt es die kleine Gruppe, die sich den Berggipfel mit einer Wanderung hart erarbeitet hat. Beide Gruppen stehen auf dem gleichen Gipfel.

Und dann gibt es die Berggipfel, die man nur erwandern kann. Dort kommen viel weniger Menschen hin und das Klima unter diesen Wanderern ist ein ganz anderes. Man hat gemeinsam etwas geschafft, was anderen verwehrt bleibt.

So ist es auch bei den Overlandern. Es gibt viel weniger Overlander als ’normale‘ Touristen. Das schafft den besonderen Zusammenhalt.

Trifft man auf einer Langzeitreise auf andere Reisende mit eigenem Fahrzeug, so freut man sich, hält an, tauscht sich aus. Manchmal bleibt man an Orten auch einfach länger als geplant, weil sich so nette Kontakte ergeben haben.

Als Overlander muss man sich generell oft mit völlig anderen Themen auf der Reise auseinandersetzen, als wenn man am Ende des Urlaubs mit dem Koffer voll Schmutzwäsche einfach nach Hause fährt. Es geht um Einreisebestimmungen und Grenzübertritte für Mensch, Fahrzeug und Tier (viele Overlander reisen mit Hunden) in fremden Ländern und in fremden Sprachen. Aber es geht auch z.B. um Spritverfügbarkeit oder -qualität, Straßenzustände oder Gefahrenquellen.

Man muss sich fast jeden Tag neu orientieren. Wo kann man sicher übernachten, wo einkaufen und was, wo bekommt man frisches Wasser her und wie bekomme ich meine Wäsche wieder sauber? Das hört sich vielleicht manchmal banal an, aber wenn man ständig an neue Orte kommt, dann geht die Orientierung oder Suche auch jedes Mal wieder von vorne los.

Und hier kommt das Netzwerk der Overlander ins Spiel. Es ist ein reger Gesprächsaustausch über eben genau diese Themen und noch viel mehr. Solche Informationen können einem das Leben sehr erleichtern und den Blick für bestimmte Dinge schärfen.

Die Gruppe der Overlander beschränkt sich nicht nur auf Autofahrer. Sicherlich ist das Gros der Reisenden in Südamerika mit Allrad tauglichen Fahrzeugen auf Toyota Landcruiser-, VW-Bus-, Sprinter- oder Iveco-Basis unterwegs, aber es gibt auch die große Klasse der Unimogs oder 2 bis 3-Achs LKWs.

Und es gibt die Motorrad- oder Fahrrad-Reisenden, mit denen es ebenfalls regen Austausch gibt.

Bei dieser Gruppe gibt es sicherlich noch spezifischere Anforderungen, wenn es z.B. ums Zelten geht oder die überbrückbaren Distanzen (wegen der geringeren Treibstoff- oder Wasser Vorräte). Es gibt aber auch Overlander, die ihr Gepäck im Einkaufs- oder Kinderwagen vor sich herschieben

oder mit dem Pferd unterwegs sind. Sie alle teilen in vielen Belangen sehr ähnliche Bedürfnisse.

Informationsteilung ist also das Allerwichtigste. Jeder weiß, wie wichtig es ist, aktuelle Informationen zu bekommen und gibt im Gegenzug auch seine Erfahrungen gerne weiter. So erfährt man von den Overlandern, die einem entgegenkommen, schon viel über die Gebiete, die man noch bereisen will. Und es ist auch so mancher Geheimtipp dabei, den man vielleicht alleine nie gefunden oder zu dem man sich auf Grund fehlender Detail-Informationen nicht auf den Weg gemacht hätte.

Dazu kommt das Teilen solcher Informationen über spezielle Apps (z.B. iOverlander) oder der Kontakt via Email und vor allem Whatsapp.

Es bilden sich immer wieder Reisegemeinschaften auf Zeit, wenn z.B. besonders schwierige Etappen anstehen, die man alleine nicht meistern kann oder die für ein Fahrzeug alleine zu gefährlich sind. Oft bilden sich Reisegemeinschaften auch aus Sympathie und halten für Tage oder Wochen, bevor sich die Wege wieder trennen.

Spannend beim Austausch ist aber dazu noch, wer wen kennt oder wer wen wo schon einmal getroffen hat. Manchmal begegnet man Reisenden, von denen man schon oft gehört hat oder wird begrüßt mit ‚Ach, ihr seid die Tigerente‘.

Es gibt natürlich auch Overlander, mit denen man nicht so recht warm wird. Das ist dann wie im ‚richtigen Leben‘.

Wir haben uns über das Zusammentreffen mit anderen Overlandern meistens sehr gefreut und oft haben die Treffen viel länger gedauert, als man sich das vorgestellt hat. So manches Mal kamen wir nach dem Frühstück doch erst nachmittags von einem Übernachtungsplatz weg, weil sich noch so viele Gespräche ergeben haben. Manchmal habe wir auch Reise-Stationen so geplant oder abgesprochen, dass wir besonders liebgewonnene Overlander wieder treffen konnten.

Also vielleicht kann man es so sagen: Overlander sind Langzeit Reisende mit eigenem Fahrzeug (wenn man mal das Pferd hinzuzählt), die auf fremden Kontinenten unterwegs sind und sich intensiv mit anderen Langzeit Reisenden darüber austauschen.


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