Das Fest der Wintersonnenwende (21.6.2017)


Manchmal ist man zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nachdem wir La Paz verlassen hatten, war das nächste Ziel Coroico in den bolivianischen Yungas. Der Ort ist auch bekannt als Start oder Ziel der berüchtigten Todesstraße ‚Camino de Muerto – WMDR‘. Aber das ist eine andere Geschichte (http://ontour.braun-duesseldorf.de/?p=1622).

Kurz vor der Einfahrt nach Coroico trafen wir auf eine andere Overlander-Familie in einem farbenfrohen Toyota Landcruiser. Aber auch das ist eine andere Geschichte (http://ontour.braun-duesseldorf.de/?p=1591).

Gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz. Nach einer etwas abenteuerlichen Fahrt durch den Ort fanden wir den sehr einfachen Platz, bestückt mit mehreren kleinen Igluzelten unten auf dem Gelände und einem großen Gebäude mit einem uralten VW-Käfer davor oben am Hang, wo auch wir unseren Stellplatz fanden.

Es war der Tag vor der Wintersonnenwende, und der Campingplatzbesitzer Franklin erzählte uns, dass früh am nächsten Morgen deshalb im Ort ein großes Fest stattfinden würde. Da wir sehr daran interessiert waren, fragten wir nach den Details und es hieß, um vier Uhr morgens würden wir gemeinsam losgehen.

Unser Wecker klingelte um 3:30 und pünktlich um 4:00 Uhr waren wir bereit zum Abmarsch. Es war dunkel und nichts tat sich. Wir warteten. Und warteten. Wir begannen uns zu fragen, ob bei der Kommunikation im Spanischen wohl etwas schief gelaufen sei.

So gegen 5:00 Uhr sahen wir jemanden mit einer Taschenlampe herumlaufen und es kam Bewegung auf. Aus den Zelten kamen 10 jugendliche Chilenen dazu und nach wenigen Minuten gingen wir gemeinsam los. Wir wussten nicht wohin und wie weit und liefen einfach mit. Coroico liegt am Berg und es ging auf kleinen Wegen und Pfaden immer bergauf, zur Plaza des Ortes, durch den Ort hindurch und dann den Hügel hinauf.  Etwa 45 Minuten und 200 Höhenmeter später kamen wir an eine kleine Kapelle. Dort standen schon einige Leute, ein paar Autos und ein mit Bierkästen beladener Pritschenwagen kamen ebenfalls hinzu, aber alles wirkte irgendwie unfertig und wir standen mit der Gruppe der jungen Leute etwas deplatziert herum.

Ein erstes großes Feuer wurde mit viel Alkohol als Brandbeschleuniger entfacht und wir gesellten uns dazu. Bier und Wein machten die Runde, es war kurz vor sechs in der Frühe (!).
Ein weiteres Feuer wurde in der Zwischenzeit kunstvoll aufgeschichtet.

Mehr und mehr Menschen kamen hinzu und Opfergaben in geflochtenen Schalen wurden herbeigebracht:

Dann begann der Schamane mit seiner Zeremonie. Mittlerweile waren Hunderte von Einheimischen aus dem Ort eingetroffen. Abwechselnd begleitet von zwei Musikgruppen wurde die Operzeremonie abgehalten. Die Opfergaben, Blumen, Zuckerstücke und zwei schneeweiße, getrocknete Lamababies (!), wurden dargebracht und das Feuer entzündet.

Als die Sonne mystisch durch die dichte Wolkendecke hindurch hinter den Bergen in der Ferne erschien, schauten alle Anwesenden in diese Richtung und erhoben die Hände, um sie zu begrüßen,

während der Schamane auf Aymara weihevolle Worte sprach, eine Rassel schüttelte und jemand ein eindringlich klingendes Horn ertönen ließ.
Das Opferfeuer lodert hell auf, verschlang die Opfergaben. Dabei wurde munter geredet und getrunken, viele Handys wurden gezückt. Wir wurden immer wieder freundlich angesprochen und bekamen einen heißen Punsch in die Hand gedrückt, der in der Zwischenzeit in einem großen Kessel auf dem Feuer erhitzt worden war. Als wir uns so gegen 9:00 Uhr an den Abstieg in den Ort machten,

war der Festplatz immer noch gut mit Menschen gefüllt.

Dieser Platz vor der Kapelle wird übrigens von Reisenden als schöner und ruhiger Stellplatz für die Nacht angepriesen. Dabei sollte man sich vielleicht vergegenwärtigen, dass es mindestens eine Nacht im Jahr gibt, in der die Ruhe am frühen Morgen empfindlich gestört wird…
Und endlich: Seit dieser Feier werden die Tage wieder länger!

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